Pressemitteilung:
1,5 Millionen Menschen in Österreich waren 2018 von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen
Wien, 2019
187.000 Personen weniger Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdete
als vor zehn Jahren
Die Europa 2020-Strategie formuliert als Kernziel
im Sozialbereich, die Zahl der von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffenen
oder bedrohten Menschen bis zum Jahr 2020 um mindestens 20 Millionen
Personen EU-weit zu senken. Für Österreich bedeutet dies anteilig
eine angestrebte Reduktion um
EU-SILC weist 2018 für den nach EU-Definition gemessenen Indikator „Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung“ folgende Werte aus (Tabelle 1):
- 14,3 % bzw.
1.238.000 Personen waren armutsgefährdet, - 2,8% bzw.
243.000 Personen waren erheblich materiell benachteiligt und - 7,3% bzw.
480.000 Personen (unter 60-Jährige) lebten in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität.
Da diese Merkmale in Kombination auftreten können,
ist die Zahl der Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten geringer als
die Summe der drei Einzelindikatoren.
Langzeitarbeitslose sind die am stärksten betroffene Gruppe
Ein höheres Risiko für soziale Ausgrenzung existiert dort, wo ein Zusammenspiel von niedrigen Einkommen und ökonomisch schlecht abgesicherten Haushaltsstrukturen festzustellen ist (Tabelle 2). Verglichen mit der Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung für die Gesamtbevölkerung (17,5%) befanden sich vor allem Langzeitarbeitslose (76%) weitaus häufiger in sozialen Risikolagen.
Auch bei nicht-österreichischer Staatsbürgerschaft
ist ein erhöhtes Risiko für soziale Ausgrenzung festzustellen: Knapp
ein Drittel der Personen mit EU
Verfügt eine Person nur über einen Pflichtschulabschluss, beträgt das Risiko der Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung 27%. Personen mit einem mittleren Schul- oder Lehrabschluss sind hingegen unter den Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten geringer vertreten als im Durchschnitt.
Eingeschränkte Erwerbs- bzw. Betreuungsmöglichkeiten schlagen sich ebenfalls in höheren Armuts- oder Ausgrenzungsquoten nieder: In Ein-Eltern-Haushalten Lebende sind zu 44% armuts- oder ausgrenzungsgefährdet, Familien mit mindestens drei Kindern zu 28%. Auch Alleinlebende, vor allem Frauen, sind öfter betroffen: 32% der alleinlebenden Frauen und 28% der Männer, die nicht hauptsächlich von einer Pension leben, sind armuts- oder ausgrenzungsgefährdet. Unter den Pensionsbeziehenden sind alleinlebende Frauen mit 29% ebenfalls überdurchschnittlich betroffen. Alleinlebende Männer mit Pension liegen mit einem Armuts- oder Ausgrenzungsrisiko von 17% hingegen im Durchschnitt.
372.000 Kinder und Jugendliche von sozialer
Ausgrenzung bedroht
Ein Viertel (25% bzw.
Die ökonomische Situation des Elternhaushalts bestimmt vielfach die Lebensbedingungen der Kinder (Tabelle 3). Für 14% der unter 20-Jährigen aus ausgrenzungsgefährdeten Haushalten ist Sparen bei der Ernährung Teil ihrer Lebensrealität (in nicht ausgrenzungsgefährdeten Haushalten für 2%). 5% leben in aus Kostengründen unzureichend beheizten Wohnungen (ohne Ausgrenzungsgefährdung: 0%) und fast jeder dritte junge Mensch (31%) in einer überbelegten Wohnung (ohne Ausgrenzungsgefährdung: 8%).
EU-SILC zeigt auch, dass ein Aufwachsen in einem Haushalt mit geringem Einkommen oder Erwerbslosigkeit oft durch eingeschränkte soziale Teilhabe für Kinder und Jugendliche gekennzeichnet ist (erfragt wurden diese Merkmale für Kinder zwischen einem und 15 Jahren): Für Kinder mit drohender Armutsgefahr ist es häufiger nicht leistbar, Freunde zum Spielen oder Essen einzuladen (7% gegenüber 1% in Haushalten ohne Ausgrenzungsgefährdung). Auch Freizeitaktivitäten wie Sport- oder Musikkurse, die mit Kosten verbunden sind, können seltener genutzt werden: 16% der Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten können sich das für ihre Kinder nicht leisten (gegenüber 3% ohne Ausgrenzungsgefährdung). Die Teilnahme an kostenpflichtigen Schulausflügen nennen 6% der ausgrenzungsgefährdeten Haushalte für ihre Kinder als finanziell nicht möglich (ggü. 0%).
Detaillierte Ergebnisse bzw. weitere Informationen zum Thema finden Sie auf unserer Webseite sowie in den FAQs zum Thema Armut und soziale Eingliederung (PDF, ca. 350 KB).
Methodische
Informationen, Definitionen:
EU-SILC: EU-Gemeinschaftsstatistik über
Einkommen und Lebensbedingungen (Statistics on Income and Living Conditions).
EU-SILC sammelt seit 2003 jährlich Informationen über die Lebensbedingungen
der Menschen in Privathaushalten in der Europäischen Union. Für Österreich
führt Statistik Austria dieses Projekt durch, bei dem pro Jahr rund
Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung, Europa
Armutsgefährdung meint ein im Verhältnis
zur Mitte der Bevölkerung geringes Haushaltseinkommen: Als armutsgefährdet
gelten in der EU jene Haushalte, deren äquivalisiertes (=bedarfsgewichtetes
Pro-Kopf-) Nettohaushaltseinkommen unter 60% des Medians aller äquivalisierten
Nettohaushaltseinkommen des Landes liegt. Das war in Österreich laut
EU-SILC 2018 ein Betrag von
Personen in Haushalten mit keiner oder sehr
niedriger Erwerbsintensität: Ein Haushalt mit geringer Erwerbsintensität
schöpft weniger als 20% seines Erwerbspotenzials aus – berechnet
auf Grundlage aller 18- bis 59-jährigen Personen im Haushalt (ohne
Studierende).
Europäischer Mindestlebensstandard: Erhebliche
materielle Deprivation wird bei Zustimmung zu mindestens vier
von neun Aussagen über die Leistbarkeit von Gütern/Bedürfnissen für
den Haushalt festgelegt. Der Haushalt kann sich nicht leisten:
- regelmäßige Zahlungen in den letzten zwölf Monaten rechtzeitig
zu begleichen (Miete, Betriebskosten, Kreditrückzahlungen, Wohnnebenkosten,
Gebühren für Wasser, Müllabfuhr und Kanal, sonstige Rückzahlungsverpflichtungen);
- unerwartete Ausgaben bis zu
- die Wohnung angemessen warm zu halten;
- jeden zweiten Tag Fleisch, Fisch (oder entsprechende vegetarische
Speisen) zu essen;
- einmal im Jahr eine Woche auf Urlaub zu fahren;
- einen Pkw;
- eine Waschmaschine;
- ein Fernsehgerät;
- ein Festnetztelefon oder Handy.
Rückfragen zum Thema beantworten in der Direktion
Bevölkerung, Statistik Austria:
Mag. Nadja LAMEI, Tel.:
Mag. Richard HEUBERGER, Tel.:
Medieninhaber, Hersteller und Herausgeber:
Bundesanstalt Statistik Österreich, Redaktion: Mag. Beatrix Tomaschek
1110 Wien, Guglgasse 13, Tel.:
presse@statistik.gv.at © STATISTIK AUSTRIA