Pressemitteilung:
"Wie geht's Österreich?": Lebenszufriedenheit im Jahr 2019 weiter hoch, deutlich wachsender Wohlstand, aber auch Emissionen und Ressourcenverbrauch erhöht – nun wirkt sich Corona aus
Wien, 2020
Ausgehend von der Betrachtung des Jahres 2019 bietet der Bericht auch einen ersten Ausblick auf Folgen der Corona-Krise, die negativ auf die Indikatoren in den Bereichen Wohlstand und Lebensqualität sowie positiv auf zumindest manche der Umweltindikatoren wirkt.
"Die Corona-Krise hat Österreich hart getroffen mit gesundheitlichen Folgen, dem größten Wirtschaftseinbruch seit dem zweiten Weltkrieg und massiven Einschränkungen des gesellschaftlichen Lebens. Dabei stand Österreich vor der Krise, was den Wohlstand und die Lebensqualität angeht, exzellent da. Neben der Eindämmung der Pandemie und der Bewältigung der wirtschaftlichen und sozialen Folgen gilt es aber auch weitere Herausforderungen zu meistern, vor denen Österreich bereits vor der Krise stand – etwa den nachhaltigen Schutz von Klima und Umwelt sowie die Auswirkungen des demografischen Wandels auf die sozialen Sicherungssysteme", sagt Statistik-Austria-Generaldirektor Tobias Thomas.
"Zwar hat das Bruttoinlandsprodukt den Vorteil, dass es äußert komprimiert und international standardisiert ist, aber es erzählt eben immer nur einen Teil der Geschichte. Je breiter wir den ökonomischen, sozialen und ökologischen Zustand unserer Gesellschaft vermessen, desto besser. Als Mitglied des Expertinnen- und Expertengremiums möchte ich daher besonders den gelungenen integrativen und ganzheitlichen Ansatz der Studienreihe unterstreichen", so WIFO-Leiter Christoph Badelt.
Materieller Wohlstand: BIP pro Kopf 2019 weiter gewachsen, Arbeitslosigkeit gesunken; Auswirkungen der Corona-Krise im 1. Halbjahr 2020 bereits deutlich sichtbar
2019 stieg die reale Wirtschaftsleistung pro Kopf
in Österreich um 1,0% (EU
Die Erwerbstätigenquote erreichte für 2019 76,8%
(EU
Der öffentliche Schuldenstand belief sich in Österreich Ende 2019 auf 280,3 Mrd. Euro bzw. 70,5% des BIP. Damit liegt die Staatsverschuldung um 5,0 Mrd. Euro unter dem Vorjahreswert, die Schuldenquote (Verhältnis der Staatsschulden zum BIP) verringerte sich gleichzeitig um 3,5 Prozentpunkte, lag aber noch immer deutlich über dem Maastricht-Kriterium von 60%.
Die Auswirkungen der Corona-Krise
auf die wirtschaftliche Entwicklung zeichnen sich bereits in den ersten
drei Quartalen 2020 deutlich ab: Nach einem leichten Rückgang des BIP
pro Kopf im 1. Quartal 2020 (⎼2,5% zum Vorquartal) brach die Wirtschaftsleistung im 2. Quartal
ein (⎼12,1% zum Vorquartal bzw. ⎼14,3% zum Vorjahresquartal). Im 3. Quartal 2020 lag das BIP
noch immer 4,0% unter dem Vorjahresniveau, und auch der erneute Lockdown
im 4. Quartal wird tiefgreifende wirtschaftliche Folgen haben. Dabei
zeigte sich im 2. Quartal ein starker Rückgang des privaten Konsums
von 12,6% im Vergleich zum Vorquartal bzw. von 16,1% zum Vorjahresquartal
(vorranging aufgrund der Einschränkungen im Freizeitbereich, wie etwa
bei Gastronomie und Kultur). Im 3. Quartal gab es einen Rückgang des
Konsums der privaten Haushalte (real) von 5,1% zum Vorjahresquartal.
Im 2. Quartal 2020 waren nach internationaler Definition um
Lebensqualität: Zufriedenheit 2019 weiter
hoch; vielfältige Auswirkungen der COVID-19 -Krise zu erwarten
Die allgemeine Lebenszufriedenheit lag 2019 in Österreich
auf hohem Niveau: Auf einer Skala von 0 (überhaupt nicht zufrieden)
bis 10 (vollkommen zufrieden) erreichte die durchschnittliche Lebenszufriedenheit
2019 den Wert 8,0 (EU
Der Anteil der armuts- oder ausgrenzungsgefährdeten
Bevölkerung, der sich in verschiedenem Maße aus relativer und absoluter
Armut sowie geringer Erwerbsbeteiligung zusammensetzt, reduzierte sich
von 20,6% im Jahr 2008 auf 16,9% im Jahr 2019. Österreich liegt damit
im EU-Ländervergleich im besten Drittel und deutlich unter dem EU
71,3% der Bevölkerung gaben darüber hinaus einen
guten oder sehr guten Gesundheitszustand an, hier zeigt sich wenig Veränderung
über die Jahre. Der EU
Auf die Lebensqualität wirkt sich die Corona-Krise in vielerlei Hinsicht aus: So haben im Rahmen der EU-SILC-Befragung 2020 beispielsweise 21% der Befragten angegeben, dass ihr Haushaltseinkommen während der vergangenen zwölf Monate weniger geworden ist, 2019 waren es nur 13%. Beim Aspekt der Gesundheit sind einerseits die unmittelbaren Folgen der Pandemie durch Krankheit und Todesfälle wie auch indirekte Effekte, etwa durch vermiedene oder verschobene Behandlungen und Operationen, zu beachten. Die längerfristigen Auswirkungen werden sich noch zeigen, ebenso wie die Auswirkungen von Homeschooling und eingeschränktem Präsenzunterricht im Bildungsbereich.
Umwelt: Ressourcen- und Energieverbrauch 2019 weiterhin zu hoch, Treibhausgasemissionen steigen; Corona-Krise wirkt 2020 emissionsmindernd
Im Umweltbereich bewertet das externe Gremium unabhängiger
wissenschaftlicher Expertinnen und Experten die Schlüsselindikatoren
wesentlich heterogener und auch kritischer. So stiegen die Treibhausgasemissionen
2019 laut vorläufigen Daten um 1,8% an, im EU-Vergleich pro Kopf lag
Österreich bei den nationalen Emissionen 2018 an 18. Stelle. Der inländische
Materialverbrauch blieb in den vergangenen Jahren konstant, war aber
2019 laut einer Schätzung von Eurostat mit 19,5 Tonnen (t) pro Kopf dennoch
hoch (EU
Für den Verkehr zeigen sich vorwiegend negative Entwicklungen:
Der Energieverbrauch des Verkehrs erhöhte sich 2019 um rund 2% und
die Treibhausgasemissionen des Verkehrs stiegen im selben Zeitraum um
1,3% (vorläufiger Wert). Im internationalen Vergleich ist die Zunahme
des verkehrsbedingten Energieverbrauchs in Österreich mit 36,8% im
Zeitraum 2000 bis 2018 (letztverfügbares Jahr der internationalen Daten)
sehr hoch (EU
Lichtblicke gab es im Umweltbereich 2019 beim Anteil der Bio-Flächen an der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche (ohne Almen), der sich seit 2000 (11,5%) mehr als verdoppelt hat und im Jahr 2019 bei 24,7% lag (EU-Durchschnitt 2018: 7,5%). Zudem sanken die Emissionen von Feinstaub (PM2,5).
Einige Maßnahmen zur Bekämpfung
des Corona-Virus dürften sich positiv auf die Umwelt auswirken:
So verringert sich etwa der Ausstoß von Schadstoffen, u. a. aufgrund
des geringeren Verkehrsaufkommens während der Lockdowns. Für Österreich
schätzte das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO)
im Mai 2020, dass die Maßnahmen zur Begrenzung der Ausbreitung von COVID
Detaillierte Ergebnisse bzw. weitere Informationen zum Thema finden Sie auf unserer Webseite sowie in der Publikation "Wie geht's Österreich?" 2020 (PDF, ca. 9,2 MB). Eine Aufzeichnung des Online-Pressegespräch vom 1. Dezember 2020 steht auf Youtube zur Verfügung. Die Präsentation zum Pressegespräch ist als PDF (ca. 1,6 MB) verfügbar.
Methodische
Informationen, Definitionen: Statistik Austria setzte 2012 bei
der Zusammenstellung des Indikatorensets die Empfehlungen der "Sponsorship
Group on Measuring Progress, Well-being and Sustainable Development"
entsprechend der nationalen statistischen Datenlage weitgehend um. Weitere
definierte Zielindikatoren auf EU-Ebene (z. B. Europa
Das Indikatorenset beinhaltet neben dem BIP 30 Schlüsselindikatoren,
die die zentralen Maßzahlen der jeweiligen Dimensionen von "Wie
geht's Österreich?" darstellen. Die Bewertung der Schlüsselindikatoren
erfolgt durch ein Gremium unabhängiger wissenschaftlicher Expertinnen
und Experten anhand einer fünfteiligen Skala. Gegenstand der Bewertung
sind die kurzfristigen (letzte drei Jahre) und langfristigen Entwicklungen
des jeweiligen Indikators (ab Beginn der Zeitreihe, zumindest zehn Jahre)
sowie das Niveau.
Das Gremium unabhängiger wissenschaftlicher Expertinnen und Experten
setzt sich wie folgt zusammen: em.o.Univ.-Prof. Dr. Christoph Badelt
(WIFO), Univ.-Prof. Dr. Jesus Crespo Cuaresma (WU Wien), Univ.-Prof.
Dr. Alexia Fürnkranz-Prskawetz (TU Wien), Univ.-Prof. Dr. Sabine Theresia
Köszegi (TU Wien), Univ.-Prof. Dr. Nadia Steiber (Universität Wien
& IHS), Univ.-Prof. Dr. Karl W. Steininger (Universität Graz), Univ.-Prof.
Dr. Hannelore Weck-Hannemann (Universität Innsbruck) und Univ.-Prof.
Dr. Rudolf Winter-Ebmer (Universität Linz & IHS).
Rückfragen zum Thema beantwortet in der Direktion
Bevölkerung, Statistik Austria:
Mag. Alexandra WEGSCHEIDER-PICHLER, Tel.:
bzw. alexandra.wegscheider-pichler@statistik.gv.at
Medieninhaber, Hersteller und Herausgeber:
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